Ein kleiner Nachruf

So kurz vor dem Fest der Erneuerung des Lebens und der Wiedergeburt, ein kleiner Nachruf für unser kürzlich verstorbenes Chormitglied Birgit Witt.

 

Birgit kam in unseren Chor mit einigen anderen Chormitgliedern, die ursprünglich im Chor der Schwulenberatung gesungen haben. Birgit selbst war u.a. auch Sozialarbeiterin in diesem Bereich und integrierte sich sehr schnell in unseren Reihen. Diese kleine Dame strahlte unendliche Freude und Begeisterung aus und war mit vollem Herzen Chormitglied und unterstützte unser Projekt mit sehr viel Elan, so wie sie es in ihrem Leben mit vielen künstlerischen und zwischenmenschlichen Projekten tat. Sie war Sängerin, Schauspielerin, Windsurferin, Sozialarbeiterin und hatte ihr Herz auf der Zunge. Natürlich war man auch öfter mal nicht einer Meinung, die Birgit auch ohne Umschweife auf den Tisch brachte. Sie war eben so und für diese Art schätzten wir sie auch sehr, da sie auch andere Blickwinkel in Situationen brachte.

Eine Zeitlang begleitete sie uns, bis sie eines Tages die Diagnose einer schweren Lungenerkrankung erhielt und kürzer treten musste. Wir hatten im Vorfeld mit ihr viele Gespräche zum Thema Hilfe zur Selbsthilfe. In dem Zuge ermutigten wir sie auch weiterhin zu singen. Birgit kam sogar noch zum Singen, als sie schon auf eine Sauerstofflasche angewiesen war. So fuhr sie auch mit uns aufs Chorwochenende, um unser 10-Jahres-Jubiläumskonzert mit vorzubereiten. Die Carmina Burana ist kein einfaches Stück, doch Birgit ließ sich davon nicht entmutigen, auch wenn die Sauerstofflasche ein unverzichtbarer Begleiter war. Aber umso mehr erinnere ich mich an dieses Strahlen in ihren Augen, als das Jubiläum mit Standing Ovations gelohnt wurde.

Sie war so überglücklich, diese Hürde gemeistert zu haben. Ich erinnere mich noch wie ich ihr und vielen anderen im Chor sagte: Das ist es, was wir mit diesem Projekt erreichen wollen. Dass ihr, egal wie hoch die Hürde anfangs erscheint, über Euch hinaus wachst und die Angst als das annehmt, was sie ist: Eine Sache die man überwinden muss, um im Leben weiter zu kommen. Und somit auch im Privatleben in der Lage zu sein, seine Angst nicht Herr der Sinne werden zu lassen.

Birgit war ein Chormitglied, das ein Vorbild für andere war, mit ihrem unermüdlichen Bestreben, jede noch so hohe Hürde zu meistern, bis sie gesundheitlich leider nicht mehr in der Lage war. Doch sie hat uns nie vergessen und als wir die Information erhielten, dass sie im Hospiz lag, waren wir auch sofort bereit für sie zu singen. So standen wir im Dezember letzten Jahres in der Einrichtung, in der sie ihre letzten Tage verbrachte. Wir sangen für sie und alle die sich dazu gesellten und für einen Moment die Wärme dieser Gemeinschaft benötigten.

Sie bedankte sich mit Tränen in den Augen, dass wir ihr noch einmal dieses Gefühl gaben was sie all die Zeit in unserer Mitte hatte. Sie war überglücklich, dass wir sie nicht vergessen haben. Als wir das Hospiz verließen, ahnten wir bereits, dass es das letzte Mal gewesen war, dass wir sie sahen. Und nur wenige Wochen später erreichte uns die Information, dass sie eingeschlafen ist. Für uns war klar, nachdem sie ihren letzten Wunsch an uns dahingehend formuliert hat, das wir auf der Trauerfeier an ihrem Grab singen würden.

Nun war der Tag der Beerdigung also gekommen, wir hatten uns mental und auch gesanglich darauf vorbereitet. Für die Chormitglieder, die Birgit jahrelang begleitet hatten, war es ein sehr schwerer Gang. Doch egal, wie emotional es werden sollte, wir wollten ihren letzten Wunsch respektieren und ihr auf unsere Art, die letzte Ehre erweisen. Vor vielen Jahren, sagte mir ein Pfarrer mal, wenn am Tag der Beerdigung die Sonne scheint, dann ist die Seele des Verstorbenen bereits im Himmel angekommen. Und so wie die Sonne strahlte, wollte Birgit offensichtlich noch einmal die Lebensfreude auf uns niederscheinen lassen, die sie zu Lebzeiten begleitete.

Die Trauerfeier war ein sehr feierlicher und angemessenes Statement an das Leben, das Birgit so liebte. Sehr viele ihrer Wegbegleiter und ihre Familie waren anwesend. Wir waren sehr erstaunt wie viele Menschen an diesem Tag Abschied nahmen. Die Trauerrednerin brachte uns Birgit als Mensch nochmals sehr nahe und machten sie für einen Moment noch einmal lebendig vor unseren Augen, so wie sie eben war. Ein lebensfroher und hoch motivierter Mensch, der mit Herz an alles heranging, was in ihrem Leben geschah. Der Friedhof in Wilmersdorf wurde zu einem langen Trauerzug, der ihre Urne begleitete. Direkt am Grab sangen wir dann ein paar unserer bekannten Lieder, die Birgit sehr gerne mitsang, als sie noch unter uns weilte. Es begann leicht zu regnen und es war, als würde Birgit noch einmal ein paar Tränen der Freude zu uns schicken, als ihre Urne zum Klang von Leonard Cohens Halleluja ins Erdreich niedergelassen wurde.

Abschiede sind schwer, doch was getan ist ist getan. Liebe Birgit, gute Reise, wohin sie Dich nun auch führt. Wir werden uns gerne zurückerinnern. Danke dass wir Dich ein Stück des Weges begleiten durften. Ruhe in Frieden!

 

Bilder: Gundula Schikora, Xenia Brühl & Rosita Mergen

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